5
Sep
2006

Chronist seiner eigenen Welt

musterWas muss das für ein Gefühl sein blind zu sein! Wirklich blind. Nicht einfach blind durch's Leben laufen, so wie ein altes Sprichwort sagt. Ich spreche das Wort "blind" und lasse es auf mich wirken. Es lässt mich frösteln, ich spüre das Dunkle.


Schon häufiger ist mir der Mann mittleren Alters in der Buslinie 3 und auch in der Stadt aufgefallen. Wie er sich mit dem Stock vortastend fortbewegt oder sich beim Anfahren des Busses an Festhaltevorrichtungen im Bus krallt bis die Knochen an den Handgelenken hervortreten. Heute habe ich ihn wieder gefragt, ob er sich nicht setzen möchte. Wieder hat er es abgelehnt.

Kann man bei Blinden auch von etwas voraussehen sprechen?

Warum? Ist Bus fahren ein Abenteuer für Blinde? Dieses Rumgeschaukel verunsichert mich, wenn ich stehe: Das stete Anfahren und abrupte Anhalten und nicht zu vergessen die ein- und aussteigenden Rempler. Ich kann die Dinge voraussehen, er kann die Dinge intuitiv erahnen. Kann man bei Blinden auch von etwas voraussehen sprechen? Was mag diesem Mann während dem Bus fahren durch den Kopf gehen? Ist Bus fahren für ihn ein gefundenes Abenteuer im abgesicherten Milieu, weil wachende Blicke auf ihm ruhen? Oder zwingt ihn die Angst sich nicht zu setzen. Die Angst nicht schnell genug aus dem Bus aussteigen zu können, weil er blind ist? Alles Spekulationen! Alles denkbar.

Schon einmal darüber nachgedacht wiviel Mut es kostet blind durch die Stadt zu gehen.

Ich sehe diesen Mann mit dem Stock in der Stadt. Hier ein Klock an den Laternenfahl, hier ein dumpfes Abtasten der Bordsteinkante. Schon einmal darüber nachgedacht wiviel Mut es kostet blind durch die Stadt zu gehen. Ein Blinder sieht nicht ein freundliches Zulächeln, wenn es ins Stolpern gerät. Er bewegt sich alleine mit sich und seiner Welt durch die Stadt. Seine Stadt, da es nicht unsrere Wahrgenommene, Gesehene ist. Seine Stadt ist vermutlich geprägt von Gerüchen, einzelnen Tönen und Klangnuancen, die sich aus dem Zusammenspiel des pulisierenden Stadtalltags ergeben? Riecht die Stadt immer gleich?

Riecht die Stadt immer gleich?


Wir als Sehende übersehen dieses kleine unsichtbare Etwas, dass über allem in einem Klang-Geruch-Mix schwebt. Wir sehen das Materielle, während ein blinder Mensch die Stadt fühlt. Ich bin mir sicher, dass ihn diese Gefühle verrückt machen müssen. So viele Geräusche und Gerüche, die aus der Sicht des Sehenden klar zugeordnet werden können, müssen von einem Blinden penibel geordnet, sortiert und kategorisiert werden. Sie sind seine Wegweiser in einer scheinbar nie Still zu stehenden Umgebung.

Vielleicht wäre es einmal ganz gut einen Tag einen Rollentausch zu machen?

Vielleicht wäre es einmal ganz gut einen Tag einen Rollentausch zu machen und in die Rolle eines Blinden zu schlüpfen. In der Realität wünsche ich es mir nicht. Es macht mir Angst. Mein Augenlicht zu verlieren, die Menschen in ihrer natürlichen Schönheit nicht mehr sehen zu können, der Verlust des gleichzeitigen Sehens und Tastens: Für mich das Ende der Welt. Ich habe Hochachtung vor jenem Blinden Menschen, der mir so oft in der Stadt und im Bus aufgefallen ist. Selbst in der Stadt verzichtet er auf einen Hund oder eine Begleitung. Was treibt ihn an? Was macht ihn sicher?

Jede Farbe hat ihre Eigenart und ihre unverwechselbare Schönheit.

blind
Meine erste Begegnung mit einem blinden Menschen hatte ich beim Kinderbesuchsdienst. Diese Begegnung habe ich nie vergessen. Ein Mädchen, 10 Jahre alt, erzählt mir darüber wie schön warm die Farbe rot ist. Sie sagte mir, wenn sie rot anfasst dann kitzelt es auf der Zunge und ihr Herz wird ganz warm. Jede Farbe hätte so ihre Eigenart und ihre unverwechselbare Schönheit. Fühlen müsse man sie. Ich habe versucht es zu lernen und ich muss zugeben, dass ich niemals mehr "blind vor Hunger" mein Essen auf den Teller lege. Die Farben und die Anordnung dieser auf dem Teller produzieren den Geschmack.

Schon Mal darüber nachgedacht wie Gelb mit Braun schmeckt?

Schon Mal darüber nachgedacht wie Gelb mit Braun schmeckt? Für mich eine furchtbare Vorstellung. Ebenso weiße (totenbleiche) Soße auf Gelb. Das Essen scheint gefühlt schneller kalt zu werden, obgleich es objektiv noch brüh warm ist.

Ich denke immer noch darüber nach, was den blonden Mitdreißiger dazu bewegt durch die Stadt zu laufen. Vermutlich ist er ein Geruch und Klangsammler. Davon gibt es in der Stadt im Überfluss und es kostet nichts. Er hat keinen Konkurrenten, der ihm seine Beute streitig machen könnte. Zu Hause kann er sich dann in aller Ruhe nieder lassen und Kompositionen der Stadt anfertigen, seine Welt hinter den Augen in Farben tauchen. Zum Leben erwecken. Die er zwar nicht sieht, aber fühlt und schmeckt.
Wir alle sollten uns mehr blind, aber bewusster durch das Leben bewegen. Vermutlich wären die Menschen glücklicher. Ähnelt unsere Welt nicht allzu oft übelriechender Düsternis? Funktionieren wir nicht mehr als wir Leben?

Mia, Ich, tanze durch die Stadt. Leichtfüßig. Ich versuche alles aufzusaugen was mich umgibt. Manchmal entdeckt man etwas wirklich Interessantes, bei dem sich auch ein zweiter Blick lohnt [;-)]! Ich lebe im Augenblick und hoffe ihr macht es mir nach!

Ach ja...

Ich werde dem blinden Mann auch das nächste Mal im Bus wieder einen Platz anbieten. Wissen das er diesen ablehnt. Aber nur wir beide haben verstanden warum.
Chronisten einer Welt sind auf das Fühlen, das Riechen und das dadurch entwickelte SEHEN einer eigenen Komposition angewiesen, die für sie mit stürmenden und tobenden Applaus hinter den Augen endet.

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