Erinnerungsticker: Mein erster Schultag
Im Übrigen:
Mit Bestürzung musste ich neulich feststellen, dass sich die ursprünglich styligen Scoutmotive auch zunehmend dem Mainstream anpassen! Von den ausklappbaren Regenschutzvorrichtungen und den I-Pänsschen-Streifen ist nichts mehr übrig geblieben. Der American-Style ist omnipräsent: Er erobert sogar zunehmend die Welt der Schulranzen und Schulkidis! Eastpack statt Scout, Barbies statt Prinzessinnen…!
Es war ein sonniger Montagmorgen: Gekleidet mit einem Matrosenkleid und weißen Birkenstock –damals noch (heute wieder) voll im Trend- schnallte ich meinen Schulranzen an, bewaffnete mich mit meiner rosafarbenen Schultüte und schnalzte zwischen meinen beiden unschmeichelhaften Zahnlücken meiner Mama ein zappeliges „Nun komm schon!“, entgegen. Man muss an dieser Stelle anfügen, dass Familie Thies an chronischer Unpünktlichkeit leidet und es bisher –abgesehen von der ein oder anderen Beerdigung- noch nie pünktlich zu einem Termin geschafft hat.
Der ganz normale Wahnsinn eben: Man plant drei Tage im Voraus, glaubt alles in einem Zeitplan genau festgehalten zu haben und doch… zu spät.
„Zu spät!“, diese rügenden Worte sollten meine gesamte Schullaufbahn prägen und
mich doch auch –wenn auch über Umwege- zu meiner ersten Liebe führen.
Aufgrund der Reservierungen für die Erstschulkinder fanden wir, trotz unserer Verspätung, noch einen Sitzplatz in der Schulmesse. Schwieriger wurde dies jedoch in der Schulklasse: Aufgrund unserer späten Anreise fanden wir natürlich auch nur den LETZTEN Parkplatz am Schulgelände! Ich stolperte also nicht nur als Letzte in meine Einschulungsmesse, sondern auch als Letzte in meine Schulklasse.
Einmal die Zöpfe zurechtgerückt, die Schultüte zum „Platz freischlagen“ bereit, betrete ich auf meiner Lippe kauend die Klasse. Zu meinem Entzücken sehe ich in der zweiten Sitzreihe noch einen freien Platz. Schon zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass es DER Platz war. Die blöden Willkommensgeschenke und die Begrüßungsrede von meiner Lehrerin interessierten mich nicht die Bohne. Ich hatte nur Augen für Boris. Alle anderen Mädchen saßen im Pulk: Seite an Seite in der ersten Sitzreihe. Sie zwirbelten ihre Haare und kneteten nervös Mamis Hand. Ich hingegen ließ mich neben Boris nieder und warf ihm ein breites -wie ich damals hoffte- unwiderstehliches Lächeln entgegen. In gemeinsamen Einverständnis rissen wir unsere Schultüten auf, störten uns nicht an dem durch uns verursachten Lärmpegel, tauschten voll gegenseitigem Entzücken einen Kaugummi aus und besiegelten damit unsere heute noch immer andauernde Freundschaft.
Die große Liebe ist es nicht geworden, aber eine Schulfreundschaft die auch
heute noch eindauert.
Yours - 25. Aug, 21:36
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